⚔️ Teil II: VERSPRENGTE SPRENGSEL (115)
Oder: Warum man Fantasy Romane nicht wie juristische Fachbücher schreiben sollte
1. Exposition – das Brettspiel
Jeder kennt es: Man freut sich auf Magie, Abenteuer, Heldentum – und landet stattdessen in einem narrativen Verwaltungsakt.
In den Sturmlicht-Chroniken hat sich das längst verselbstständigt. Man liest nicht, um zu verstehen – man liest, um nicht den Anschluss zu verlieren.
Willkommen bei „Erklär mir die Welt, Brandon“ – Folge 857:*
- Lichtweben, Bindungsprinzipien, Eidtore, Sprengselmanifestation, Verstrahlungsindex, Kognitives Reich, Jasnahs Notizen zur Ethik
- Dazu Bonusmaterial: „Das lexikalische Supplement der Sippenstruktur von Herdaz“
Und das hier ist kein Witz:
Manche Leser führen eigene Glossare, um noch mitzukommen. Die Fans nennen es Lore-Tiefe. Wir nennen es Zwangsbeschulung.
2. Das Magiesystem: Wenn Powerpoint zaubern könnte
Sanderson liebt Systeme.
Er liebt sie abgöttisch.
Aber was einst wie ein spannendes Gerüst klang („10 Bindungen, 10 Sprengselarten, 10 Ritterorden…“) wird mit jedem Band zum algebraischen Alptraum. Wo es in den Bänden mit Ordnungszahlen unter 5 noch kurze Momente der Erleuchtung und kleinere Aha-Effekte gab, ist heute nur noch resigniertes Kopfschütteln übrig. Man zuckt mit den Schultern und blättert einfach weiter.
Is this a kind of magic? Wohl nicht.
Kräfte basieren auf Regeln.
Die Regeln basieren auf Regeln.
Und wehe, man fragt mal: „Warum fliegt Kaladin eigentlich nicht einfach weg?“ — Die Antwort kommt in Kapitel 74 mit Fußnote und Rückverweis auf einen Nebenband. Hätte man sich damals doch einfach Notizen gemacht.
Kurz gesagt:
Die Magie funktioniert nicht, um Wunder zu erzeugen. Sie funktioniert, um in Foren diskutiert zu werden. Du musst ein paar Dinge wissen, um es genau zu verstehen:
📊 Einschub: Die Surges – Über Magie als Tabellenkalkulation
Willkommen in der Welt der Surges.
Oder wie es im Deutschen heißt: Bindungen.
Wobei… nicht die emotionale Art. Kein Kuscheln, keine Nähe.
Hier geht’s um metaphysische Verbindungen, mit denen man Gestein spaltet, Licht formt oder sich selbst in den Orbit katapultiert.
Denn Magie ist bei Sanderson kein Wunder. Bei ihm ist Magie eine Art von Lehrberuf.
🔧 Fantasy trifft Schulbuch: Eine Auswahl der spannendsten Surges
Bindung | Was sie angeblich kann | Was wir oder andere dabei fühlen |
---|---|---|
Gravitation | Richtung von Schwerkraft ändern | Übelkeit |
Reibung | Auf Wasser surfen, Wände hochlaufen | WTF? |
Lichtformung | Illusionen erzeugen | Shallan baut sich eine Bühnenkulisse für den nächsten Breakdown |
Haftung | Sachen zusammenkleben | Magie powered by Prittstift |
Wachstum | Heilung & Pflanzenpushing | Botanik mit Sturmlicht |
Teilung | Materie zersetzen | Top-Möglichkeit für Splatter-Action – wird aber nie cool genutzt |
Umwandlung | Materie neu strukturieren | Minecraft in spirituell |
Spannung | Dinge verhärten (nein, nicht das) | Unfreiwillige Erotik bei Steinritzen |
Zusammenhang | Feststoffe formen | Der feuchte Traum sämtlicher Fantasy-Maurergilden |
Ortsverlagerung | Raumreisen | Funktioniert in der Theorie, braucht aber sieben Bücher zum Laden |
📉 Und wie fühlt sich das alles an?
Wie ein Management-Tool für Leute mit Rüstungsfetisch und zu viel Freizeit.
Die ganze Welt Roschar wirkt, als hätte jemand versucht, Magie zu patentieren – in zehn klar abgegrenzten Kategorien, damit auch ja kein Leser zu viel Fantasie einsetzt.
Du willst ein Wunder sehen?
Vergiss es.
Du bekommst ein Handbuch.
Mit Gliederung.
Und Fußnoten.
💀 Fazit: Systemfantasy in Reinform
Was Tolkien in einem Gedicht angedeutet hätte, was Le Guin in einem Symbol verpackt hätte, das bekommt bei Sanderson eine Exceltabelle. Alles fühlt sich nach Lizenznummern und genormter Benutzerführung an.
Die Surges sind keine Magie, sondern ein Compliance-Dokument des Roschar’schen Weltgeists.
3. Figuren im Würgegriff der Welterklärung
Die Charaktere haben in den Sturmlicht-Chroniken führen auch nicht im eigentlichen Sinne Gespräche. Sie halten eine Art von Mini-Vorträgen.
- Shallan debattiert mit sich selbst – in wechselnden Persönlichkeiten, die sich gegenseitig Korrektur lesen.
- Navani entwickelt technische Manuskripte mitten in Dialogen.
- Szeth fragt sich, ob das Schwert Recht hat, und das Schwert gibt eine 8-seitige Erläuterung über Gerechtigkeit im Sinne Roschars.
Dalinar, früher moralische Wucht, ist inzwischen ein CEO der Realität. Er managt ein Pantheon, erklärt ethische Prinzipien und führt Projektpläne mit interdimensionalen Entitäten. Und wir? Wir lesen das und hoffen, dass jemand einen Drachen freilässt. Oder zumindest mal einen Baum.
4. Emotionale Kälte in einem Ozean aus System
Was fehlt: Gefühl.
Was bleibt: Erklärung.
Du kannst 800 Seiten lesen, und das, was hängen bleibt, ist keine Szene, sondern ein Satz wie:
„Durch die Resonanz zwischen Gravitation und Adhäsion konnte Kaladin…“
…(an dieser Stelle hast du schon vergessen, was er eigentlich wollte.)
Wo einst Drama war, ist nun Dokumentation.
Sandersons Welt mag in sich schlüssig sein, zumindest für fantasiebegabte Technokraten – aber sie bleibt auch in sich selbst gefangen. Dadurch wirkt sie unvergleichlich steril.
5. Zwischenfazit: Die Exposition frisst die Erzählung
Wir wissen es jetzt:
Die Sprengsel waren nur die Vorhut. Der wahre Endgegner ist der Infodump im Heilsgewand.
Wir wollten Roschar erleben.
Stattdessen haben wir den Fantasy-Sachkunde-Kurs für Fortgeschrittene mit optionaler Doktorarbeit gebucht.
6. Vorschau auf Teil III: SPLITTER DER GEDULD (116)
Im letzten Teil unserer Abrechnung nehmen wir uns die große Frage vor:
„Was wollte uns der Autor damit sagen – und warum auf 9.000 Seiten?“
Wir sprechen über:
- Wiederholungen
- Handlungslücken
- den Kult um Sanderson
- und warum irgendwann alles gleich klingt.
Und keine Sorge: Die Sprengsel sind auch wieder dabei. Nur trauriger. Und noch mehr. Sehr viel mehr.

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