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Haben sie mal Feuer? Die wahre Kulturgeschichte der Drachen
Folge 3: Leviathan, Lindwurm & Legendenbildung
🔥 Einleitung: Vom Chaoswesen zum PR-Desaster
Willkommen im Abendland! Hier, wo die Schuppen glänzen, das Kreuz alles überstrahlt und jede Schlange, die nicht bei drei auf dem Baum war, kurzerhand zum Teufel erklärt wurde.
Der Drache, eben noch kosmische Chaosmacht und göttlicher Sparringspartner, wird im Christentum zur personifizierten Sünde degradiert. Statt Weltordnung schafft er nun Weltunordnung. Statt Schöpferkampf heißt es: Da steckt der Satan drin.
Und plötzlich war’s nicht mehr der Titan Typhon oder die Urmutter Tiâmat, sondern der Leviathan, der Lindwurm und das Lieblingshobby gelangweilter Ritter: Drachenschlachten.

1. Leviathan – Gottes Pressesprecher fürs Böse
Die Bibel ist kein Fantasyroman, aber sie hat dennoch ihre Drachenmomente. Wir haben hier ein paar besonders epochemachende gesammelt. Gut für Betschwestern, schlecht für unsere geschuppten Freunde.
- Hiob 41 beschreibt den Leviathan: „Sein Atem entzündet Kohlen, eine Flamme fährt aus seinem Maul.“ Klingt wie Smaug nach einer ziemlich schlechten Currywurst.
- Jesaja 27,1: „Der Herr wird mit seinem harten, großen und starken Schwert heimsuchen den Leviathan, die flüchtige Schlange.“ Kurz: Auch Gott braucht ein Schwert.
- Offenbarung 12–13: Der Drache mit sieben Köpfen wird direkt als Satan identifiziert. Marketingtechnisch klug: Alles Böse in ein Viech packen, damit man es leichter hassen kann. Ein früher Booster für den Ablasshandel.
👉 Fazit: Der Leviathan ist weniger Tier als Konzept: ein wandelndes Symbol für Chaos, Böses und „don’t mess with Jahwe“.
2. Gilgamesch & Griechen: Alte Bekannte im neuen Kleid
Bevor die Christen den Drachen endgültig dämonisierten, hatten andere Kulturen schon ihre Vorarbeit geleistet.
- Gilgamesch-Epos: Humbaba und die „Schlange, die das Kraut der Unsterblichkeit frisst“. Frühe Versionen der „Schatz bewachenden Bestie“.
- Griechenland:
- Python: eine Erdgöttin-Schlange, die von Apoll plattgemacht wird. (Fun Fact: aus „Python“ leitet sich das „Pythia“-Orakel in Delphi ab.)
- Typhon: hundertköpfiges Monster, von Zeus mit Blitzen erledigt.
- Rom: Übernahm die griechischen Monster, schrieb sie aber in Lexika und Heldensagen um und baute so die Folie für die spätere christliche Dämonisierung.
👉 Drachen sind hier schon: Wächter, Prüfungen, Gegner. Aber noch nicht die Inkarnation des Satans. Aber, warten wir mal ab.
3. Fafnir & die germanische Drachenschule
Dann kamen die Nordleute und sagten: „Hold my Met.“
- Fafnir: Ursprünglich ein Mensch, der von Gier zerfressen zum Drachen mutierte. Er bewacht seinen Hort. Ein perfektes Bild für Goldgier, Schuld und Verfluchung.
- Siegfried: Bekommt durch das Bad im Drachenblut (fast) Unverwundbarkeit. Nur das berühmte Lindenblatt bleibt kleben. Vermutlich der erste Fantasy-Patch-Fehler. Mit Folgen, wie sich denken lässt.
- Der Lindwurm: Kein Feuerspeier, eher ein wurmartiger Riesenreptiloid, der Dörfer unsicher macht. Der Name „Lind“ kommt von „Schlange“.
👉 Hier verschmelzen zwei Dinge: Drachen als Sündenbild (Fafnir) und Drachen als Gegner für Helden (Siegfried). Der moderne „Bossfight-Drache“ ist geboren.

4. Georg & die Jungfrauen – PR mit Heiligenschein
Spätestens im Mittelalter wurde der Drachenkampf zur PowerPoint-Folie der Kirche.
- Georg der Drachentöter: Ein Ritter erschlägt ein Monster, rettet eine Jungfrau, bekehrt ein ganzes Volk zum Christentum.
- Symbolik: Der Drache = Heidentum/Sünde, Georg = christliche Ordnung, die Jungfrau = die arme Seele, die gerettet werden muss.
- Ergebnis: Jeder kleine Lindwurm, der irgendwo im Volksglauben existierte, wurde sofort zur Satans-Requisite runtergestuft.
👉 Damit war das westliche Drachenbild endgültig fixiert: dämonisch, böse, weibliche Opfer gefährdend. Ein PR-Supergau für das Fabelwesen.
5. Von Dämonen, Drachentötern und Jungfrauen
Und wenn ein Muster einmal funktioniert, dann wird es ja gerne bis zum Erbrechen wiederholt. Darunter müssen auch unsere herzigen Feuerspucker leiden:
- Der Drache wird dämonisiert.
- Der Held (meist männlich, meist schwer bewaffnet, oft mit Gottes Auftrag) tritt an.
- Die Jungfrau ist Dekoration.
- Am Ende wird das Monster plattgemacht, und die Kultur klopft sich ganz überlegen auf die Schulter.
👉 Der Drache verliert seinen kosmischen Anspruch. Er ist nicht mehr Schöpfungsmythos, sondern moralisches Lehrstück.
💀 Schlussakkord
So wurde aus dem Chaosprinzip ein Moralmonster.
Der Drache, der einst Himmel und Erde gebar, wird im Mittelalter zur Fußnote im christlichen Lehrplan: ein Ding, das man killt, um die Gemeinde zum Abendmahl einzuladen.
Und damit haben wir das klassische westliche Drachenbild: Feuerspeiend, gierig, böse und zurecht ritterlich totgeschlagen.
Kurz gesagt: Ein Problemfall für die Christenheit und die perfekte Steilvorlage für Generationen von Fantasy-Autoren.
Nächste Woche wird’s trocken – aber nur auf den ersten Blick: In der Aufklärung stopfen wir Drachen in Bücher, Wunderkammern und Lexika, bis ihnen die Schuppen ausgehen. Und während Gelehrte sie katalogisieren wie Schmetterlinge, beginnt die große Karriere des „wissenschaftlich belegten“ Fantasiemonsters. Also besser nicht verpassen!
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