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Fantasy History (12): Die Sechziger Jahre und der Aufbruch ins Unbekannte
„Fantasy ist das natürliche Gegenmittel gegen autoritäres Denken.“
– Michael Moorcock, Wizardry and Wild Romance
Die 1960er-Jahre waren eine tektonische Verschiebung – nicht nur politisch, gesellschaftlich oder musikalisch. Auch in der Fantasyliteratur lösten sich alte Gewissheiten auf. Was einst geordnet in Königreichen und Questen verlief, wurde jetzt durchwoben von Bewusstseinserweiterung, Subversion und spiritueller Rebellion. Fantasy betrat neue Räume – nicht durch Portale, sondern durch die Falte im Geist.

Zwischen Tolkien und Timothy Leary
Zwar wurde Tolkiens Herr der Ringe in dieser Zeit zum Kultbuch – vor allem unter Hippies, die in Gandalf einen weisen Drogenschamanen sahen und Mordor als Metapher für das Establishment – doch entstand daneben eine ganz andere Strömung: Die Gegenkultur der Sechziger experimentierte mit alternativen Weltbildern. LSD, Zen-Buddhismus, Tarot, Astrologie – all das floss in neue Formen des Erzählens ein. Fantasy wurde nicht mehr nur zur Flucht, sondern zur bewussten Provokation.
Das New-Wave-Phänomen
Mit Autor:innen wie Michael Moorcock, Ursula K. Le Guin, Samuel R. Delany oder Roger Zelazny entstand die sogenannte New Wave – eine Bewegung, die sich gegen die konservativen Erzählmuster der Pulp-Ära stellte. Ihre Werke waren oft fragmentarisch, experimentell, philosophisch. Gut und Böse wurden dekonstruiert. Der Held war plötzlich zweifelnd, geschwächt oder gar gar nicht mehr menschlich. Magie wurde zu einer inneren Reise, die Erkenntnis statt Erlösung versprach.
Le Guins Erdsee-Zyklus (ab 1968) ist hier besonders bedeutend: Statt heroischer Großtaten geht es um innere Balance, um das Schatten-Selbst, um Verantwortung. Es ist Fantasy als Ethikunterricht für Suchende.
Die Rückkehr des Mystischen
Die Popkultur trug das Ihre bei: Tarotkarten, Kristalle, Aleister Crowley, Sufismus – das „Magische“ wurde wieder cool, aber nicht mehr im Sinne von Feenstaub und Schwertkampf. Stattdessen ging es um Bewusstsein, um das Unsichtbare, um alternative Realitäten jenseits der Ratio. Fantasy wurde zur Mystik im Gewand der Literatur.
Gleichzeitig entstand auch eine Gegenbewegung: Werke wie A Wizard of Earthsea oder The Last Unicorn (1968) von Peter S. Beagle verbanden Poesie mit Melancholie, fernab von psychedelischem Krawall. Auch das war Fantasy der Sechziger: zart, traurig, anders.
Fazit: Fantastische Erleuchtung
Die Fantasy der Sechziger entkoppelte sich von linearen Erzählungen, von klassischen Heldentypen, von Schwarz-Weiß-Moral. Sie war vielstimmig, schillernd, subversiv. Und sie stellte Fragen, die vorher kaum jemand wagte zu stellen: Wer entscheidet über Wahrheit? Was ist real? Was ist ich?
Es war das Jahrzehnt, in dem Fantasy nicht mehr nur „Märchen für Erwachsene“ war – sondern ein Bewusstseinslabor. Und bis heute hallen diese Experimente nach.
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