Fantasy History (15): Die Neunziger – Magischer Realismus trifft Marktlogik

🔍 Suche im Fantasykosmos

Spüre verborgene Pfade auf, entdecke neue Werke oder durchstöbere das Archiv uralter Artikel. Ein Wort genügt – und der Kosmos öffnet sich.


Fantasy History (15): Die Neunziger – Magischer Realismus trifft Marktlogik

Eine dunkle, verhüllte Gestalt steht in einer langen, von Säulen gesäumten Halle. Vor ihr leuchtet ein großes, schwebendes Buch mit mystischem Einband – Symbol für die literarische Vielfalt und neue Stimmen in der Fantasy der 1990er Jahre.

Neue Stimmen, neue Welten

In den 90ern öffnet sich die Fantasy endlich der Welt – nicht mehr nur im Sinne exotischer „Settings“, sondern durch neue Perspektiven. Autorinnen wie Nalo Hopkinson, Tananarive Due, Salman Rushdie (ja, auch er!) oder Alice Hoffman bringen kulturelle Hybridität, Spiritualität und politische Subtexte in den literarischen Zauberkreis. Gleichzeitig mischen sich lateinamerikanische Einflüsse hinein: Magischer Realismus ist kein importiertes Stilmittel mehr, sondern wird zur Inspirationsquelle, zur Haltung – zur Einladung, das Unmögliche ganz selbstverständlich in den Alltag tropfen zu lassen.


Feministische Fantasy? Aber ja!

Die 90er erleben eine neue Generation weiblicher Erzähler, die sich nicht mehr entscheiden wollen zwischen Heldinnenreise und kritischem Subtext. Robin Hobb mit ihren verletzlichen Protagonisten, Juliet Marillier mit Märchenadaptionen voll innerer Stärke, Patricia A. McKillip mit ihren poetischen, labyrinthischen Texten: Sie alle schreiben gegen das Klischee an – und erschaffen gleichzeitig neue. Und Terry Pratchett, ewiger Spötter, liefert mit seinen Hexen-Romanen eine der klügsten und liebevollsten Dekonstruktionen weiblicher Rollenbilder der Popkultur. Ja, ausgerechnet ein Mann.


Der Markt als Mitspieler

Doch so inspirierend viele Werke der Dekade auch sind: Die 90er sind auch das Jahrzehnt der Reihenproduktion, der Cover-Klone und der Marketinglogik. Mit dem Erfolg von Serien wie Die vergessenen Reiche, Dragonlance und zahllosen D&D-Ablegern wird Fantasy mehr denn je zur Massenware. Was einst Subversion war, wird zum Paket. Zwischen Buffy-Boom, Romantasy-Formeln und pseudo-mittelalterlicher Stangenware verlieren viele Werke an Kante – und doch entstehen in den Nischen neue Schätze, die sich dem Mainstream verweigern.


Zwischen Widerspruch und Wandel

Fantasy in den 90ern ist ein Widerspruch in sich. Sie wird multikulturell und doch normiert. Subversiv und doch formelhaft. Visionär – und oft kitschig. Doch genau diese Spannungen machen sie so produktiv. Aus der Reibung von Markt und Magie, Kapitalismus und Kultur entsteht ein Genre, das sich bereit macht für den Sprung ins neue Jahrtausend.

Und irgendwo zwischen Hexen, Hackerinnen und halbgöttlichen Außenseitern baut sich langsam die nächste große Welle auf: Die Fantasy, die nicht nur verzaubern will – sondern verändern.


⬅️Vorheriger Artikel: (14): Elfen, Neon und Nerds – Fantasy in den Achtzigern
➡️Nächster Artikel:
(16) Giganten der Moderne – Rowling, Pullman, Pratchett

Ach so: Fantasy History & Grundlagen sind genau dein Ding? Dann folge unserer beliebten Kategorie Mythen & Magie. Hier haben wir immer Fantasy Basics für dich parat. Und hier gibt es eine ganz okaye Zusammenfassung der Fantasy Historie.