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Fantasy History (11): Die fünfziger Jahre – Fantasy zwischen Eskapismus und Aufbruch
„Fantasy is escapist, and that is its glory.“
– J.R.R. Tolkien, 1939 (in „On Fairy-Stories“)
Die 1950er Jahre waren kein goldenes Zeitalter – weder politisch noch literarisch. Der Zweite Weltkrieg war vorbei, doch die Welt lag in Trümmern. Die einen wollten vergessen, die anderen verstehen. Und mittendrin: die Fantasy. Sie veränderte sich – tiefgreifend und auf leisen Sohlen. Was in den Dreißigern noch als märchenhafte Kunstform begann, wurde nun zur Projektionsfläche für Sehnsüchte, Ängste und kulturelle Traumata.

Zwischen Weltflucht und Weltdeutung
Die Kritik war schnell bei der Hand: Fantasy sei Eskapismus – eine kindische Flucht vor der Wirklichkeit. Doch gerade in der Nachkriegszeit bekam dieser Eskapismus neue Bedeutung. Er wurde zum Schutzraum, zur Heilung, manchmal auch zum Gegenbild zur kalten Rationalität der Moderne. Die Flucht war nicht vor der Realität – sondern vor deren Grausamkeit.
Autor:innen wie C.S. Lewis (Die Chroniken von Narnia) setzten weiterhin auf symbolische Allegorien, doch die Subtexte wurden dunkler. Der Krieg hinterließ Spuren – in Motiven, Figuren, Konstruktionen. Fantasy wurde moralischer, aber auch politischer. Gut und Böse waren keine simplen Lager mehr, sondern psychologische Zustände.
Der Rückzug ins Ich
Während in der realen Welt Atombomben und Wettrüsten dominierten, entdeckte die Fantasy das Innere. Werke wie A Wizard of Earthsea von Ursula K. Le Guin (1950er Konzept, später erschienen) oder auch die Frühwerke von Diana Wynne Jones atmeten bereits diesen neuen Geist: Identität, Schattenseiten, innere Reifung. Heldenreisen wurden zu Selbstfindungsreisen.
Auch viele Werke aus dieser Zeit setzen bewusst auf kleine Welten, intime Settings. Magie fand nicht in großen Schlachten statt – sondern in persönlichen Krisen. Das war neu, das war leise – aber es wirkte.
Der Beginn der modernen Fantasy
Man darf nicht vergessen: Auch Tolkien veröffentlichte Der Herr der Ringe in den Fünfzigern. Und während er sich sprachlich und mythologisch am Mittelalter orientierte, war die Sehnsucht, die seine Werke durchzieht, sehr zeitgenössisch. In einer Welt, die auseinanderfiel, bot er Ordnung, Sinn, Trost. Und genau damit traf er einen Nerv.
Der internationale Erfolg von Fantasy wuchs – langsam, aber spürbar. In den USA begann der Markt, Fantasy als eigenes Genre wahrzunehmen, nicht mehr nur als Anhängsel der Science Fiction. Eine Trennung, die bis heute die Verlage prägt.
Fazit: Vom Trost zur Tiefe
Die Fantasy der fünfziger Jahre war kein Feuerwerk – aber ein Fundament. Sie wurde erwachsener, nachdenklicher, vielschichtiger. Sie bot Trost – ja. Aber sie stellte auch Fragen. Und das unterscheidet sie von der naiven Eskapismus-Fantasy, als die sie so oft abgestempelt wurde.
Sie war ein literarischer Mutmacher. Ein Zeichen dafür, dass selbst nach der Dunkelheit noch Welten entstehen können. Und dass das Fantastische nicht verdrängen muss – sondern transformieren kann.
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