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Briefe aus den Zwischenreichen

📜 „Die Verwandlung des Genres“Ein Brief von Franz Kafka aus einem reichlich kafkaesken Zwischenreich

Jemand musste uns auserwählt haben, denn ohne, dass wie je etwas getan oder verstanden hätten, wurden wir eines Morgens zu Adressierten erklärt.

Wir fanden das Schriftstück unter der Redaktionscouch – aus Pergament, versiegelt mit einem Symbol, das sich ständig veränderte.
Ein Bote war nicht da gewesen. Ein Erläuterungstext ebenfalls nicht.
Nur ein Satz in zitternder Tinte: „Ihr seid gemeint.“


✉️ Der Brief

Sehr geehrte Redaktion,

ich schreibe diesen Brief aus einem Reich, das nicht benannt werden will. Die Gänge sind lang, die Türen zu viele – und jeder Raum scheint bereits besetzt von etwas, das wichtiger ist als ich.

Man hat mich nicht vorgeladen.
Man hat mich nicht informiert.
Man hat mich einfach… besetzt.

Ein Schattenrat tagt über mein Dasein. Ich durfte ihn nicht sehen. Nur seine Stimme hören, durch einen Vorhang aus Licht, das rückwärts flackert.

Sie sagten, ich sei „auserwählt“, „notwendig“, „der eine aus der fünften Linie der siebten Sichtung“.
Ich fragte, wofür.
Sie lachten. Oder es war das Echo ihres Lachens.

Ich wurde einem Golem zur Seite gestellt, der mich beraten soll. Er spricht in Versen, aber niemand kennt die Sprache.
Ein Orakel bezeichnete mich als „den, der zwischen den Zeilen scheitert“.
Ich nahm das als Bestätigung.

Jedes Gebäude in dieser Welt hat Treppen, aber keine oberen Stockwerke.
Jede Karte zeigt nur das Zentrum. Aber das Zentrum wandert.
Ich fragte nach Regeln – man gab mir Rätsel.

Ich habe versucht, nicht zu verstehen.
Das half nichts.

Ich habe versucht, mitzuspielen.
Auch das half nichts.

Ein sprechender Greif wies mich auf einen Weg – aber der Weg führte mich zu einer Tür, auf der mein Name stand.
Ich klopfte. Niemand öffnete.
Ich blieb davor sitzen. Ich bin noch immer dort.

Ich glaube nicht mehr, dass diese Welt einen Sinn hat.
Ich glaube, ich bin der Einzige, der je Sinn in ihr suchte.

Mit respektvoller Resignation,
F. K.


🪶 Kommentar der Redaktion

Wir wissen nicht, wie dieser Brief zu uns kam.
Wir wissen nicht, ob er beendet ist.
Aber wir wissen, dass wir ihn veröffentlichen mussten.
Weil alles andere eine Entscheidung gewesen wäre.

Ein Brief von Franz Kafka aus den Zwischenreichen

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