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Leni liebte den Strand, wenn er still war. Kein Touristengeschrei, kein Sandgebuddel – nur das Rauschen der Wellen, der Wind und sie.
An einem kühlen Abend glitzerte etwas zwischen den Steinen. Eine Flasche. Dickes, grünes Glas, mit einem festen Korken verschlossen. Leni hob sie auf und hielt sie gegen das Licht. Kein Brief. Kein Schatz.
Nur ein Schatten.

Er schlängelte sich im Inneren der Flasche, dunkel und neblig, wie ein winziges Stück Nacht. Leni zog den Korken – plopp! Der Schatten glitt heraus und schlich sich direkt an ihre Füße. Er klebte an ihr, länger und dunkler als ihr eigener Schatten.
„He!“, rief Leni. „Ich hab doch schon einen Schatten!“
Doch der fremde Schatten rührte sich nicht.

„Du bist nicht meiner“, flüsterte sie und kniff die Augen zusammen. Der Schatten zuckte, als hätte er sie gehört.

Zuerst passierte nichts. Leni nahm die Flasche mit nach Hause und stellte sie auf ihr Regal. Doch in der Nacht, als sie in ihrem Zimmer saß, begann der Schatten sich zu bewegen. Nicht wie Leni. Anders. Er glitt über den Boden, zeigte auf ihren alten Teddy, dann auf ihr Tagebuch im Regal und schließlich auf ein Bild, das sie gemalt hatte: dunkle Bäume unter einem grauen Himmel.

Leni bekam eine Gänsehaut. „Was willst du?“, fragte sie leise.
Der Schatten antwortete nicht, aber er glitt zur Wand – zur Wand, die ihr Zimmer von dem ihres kleinen Bruders Max trennte. Dort wurde er ganz still, als würde er lauschen.

In dieser Nacht konnte Leni kaum schlafen. Der Schatten war still, aber seine Umrisse zitterten, als wäre er traurig. „Wem gehörst du?“, flüsterte sie in die Dunkelheit.

Da spürte sie es. Nicht mit den Augen, sondern tief im Bauch, wie ein leises Flüstern: Dieser Schatten war keine Gefahr. Er war eine Erinnerung. Jemand hatte ihn in die Flasche gesperrt, damit er vergessen wird. Aber Schatten, dachte Leni, vergessen nichts.

Am nächsten Morgen nahm Leni die Flasche und ging zurück zum Strand. Sie wollte Antworten. Sie suchte zwischen den Steinen, wo sie die Flasche gefunden hatte. Dort lag ein Stück Treibholz, verwittert und glatt. Ein Name war hineingeritzt: Edda.

„Edda“, las Leni leise. Plötzlich wusste sie: Der Schatten gehörte zu Edda. Vielleicht hatte Edda ihn verloren. Vielleicht hatte jemand ihn versteckt. Aber er wollte zu ihr zurück.

Leni kniete sich ans Wasser. Sie hielt die Flasche fest und sprach mit dem Schatten. „Ich bringe dich zu Edda“, sagte sie. „Aber du musst mir helfen.“ Der Schatten zitterte, als würde er nicken.

Sie legte die Flasche ins seichte Wasser. Der Schatten glitt hinein, bereit, mit den Wellen zu reisen. Leni presste den Korken wieder in den Flaschenhals. Als die Flasche davontrieb, bewegte sich der Schatten ein letztes Mal – es sah aus wie ein Winken, wie ein leises Lächeln aus Dunkelheit.

Seitdem hat Leni nur noch ihren eigenen Schatten. Aber manchmal, wenn sie allein am Strand steht, sieht sie Spuren im Sand. Es sind keine Fußabdrücke. Und nicht die Spuren von Menschen oder Möwen.
Dann weiß sie: Manche Erinnerungen müssen gehen, damit neue Platz haben.

Herr Knorpel und die Erinnerung in der Tasse: Hier sitzt Jan vor seiner Teetasse aus der gerade eine Erinnerung aufsteigt- Im Hintergrund lächelt weise Herfr Knorperl, der Besitzer des Cafes.

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