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Der erste Architekt der Fantasywelt – William Morris und die Erfindung der Queste

William Blake als Statue: Wie Romantik und Poesie die Fantasy prägten: Von Shelley bis Keats, vom Erhabenen zur Magie der Sprache – ein poetisches Kapitel der Genre-Geschichte.

Der vergessene Wegbereiter

William Morris (1834–1896) war vieles: Mitbegründer der Arts-and-Crafts-Bewegung, Freund von Rossetti und Burne-Jones, passionierter Teppichgestalter – aber eben auch ein Pionier der Fantasy. Zwischen 1888 und 1896 schrieb er eine Reihe von Prosa-Romanen, die ihn – rückblickend – zu einem zentralen Vorläufer des Genres machen.

Morris war nicht interessiert an ironischer Distanz oder modernem Spiel mit Genre-Konventionen. Ihn trieb der Wunsch nach einer vollständigen, idealisierten Gegenwelt: eine mittelalterlich anmutende Welt mit eigenen Orten, Riten und Regeln – und Helden, die lange Reisen unternehmen, um große Questen zu erfüllen.

Weltbau mit Handwerk

Was Morris schuf, war nicht bloß Staffage. Seine Werke wie The Well at the World’s End oder The Wood Beyond the World entwerfen komplexe Landschaften, Sprachen und Kulturen – ganz ohne Kartenanhang oder Glossar, aber mit einem feinen Gefühl für innere Konsistenz. Morris schrieb, als würde er ein Land bereisen, nicht erfinden.

Er nutzte bewusst eine pseudo-archaische Sprache, die an mittelalterliches Englisch erinnert. Das war keine nostalgische Spielerei, sondern Ausdruck seines ästhetischen und politischen Programms: Die Rückkehr zu Einfachheit, Schönheit und Sinnlichkeit gegen die Entfremdung der industriellen Moderne.

Die Geburt der Queste

Die Handlung seiner Romane ist archetypisch: Ein junger Mensch verlässt seine Heimat, erlebt Gefahren, Prüfungen, Verführungen – und findet am Ende nicht nur ein Ziel, sondern auch sich selbst. Diese Struktur – später zum Herzstück der Fantasy geworden – ist bei Morris bereits voll ausformuliert.

Was ihn von späteren Autoren unterscheidet, ist der völlige Verzicht auf Ironie. Morris meint es ernst. Seine Figuren sind aufrichtig, ihre Welten ohne Zynismus. In einer Zeit, in der der Realismus dominierte, wagte er den Sprung ins Erfundene – ohne es erklären zu müssen.

Tolkien liest mit

Tolkien kannte Morris gut. In Briefen und Essays bezieht er sich mehrfach auf ihn, und wer The Well at the World’s End liest, erkennt sofort Parallelen zu Der Herr der Ringe: die lange Reise, das archaische Englisch, die Mischung aus Naturbeschreibung, Heldentum und spiritueller Tiefe.

Doch wo Tolkien zum Mythenschöpfer wurde, blieb Morris ein Handwerker der Fantasie. Er wollte nicht verehrt werden – er wollte gestalten. Seine Romane sind damit nicht nur literarische Werke, sondern auch ästhetische Objekte: Sprachteppiche, durchwirkt mit dem Traum eines besseren, sinnlicheren Lebens.

Fazit: Der erste Stein

William Morris legte den Grundstein. Für Questen, für Weltbau, für Fantasy jenseits von Märchen und Allegorie. Seine Werke mögen heute weniger gelesen werden – doch wer sich mit dem Ursprung des Genres beschäftigt, wird früher oder später auf seinen Namen stoßen.

Er war der erste, der sich traute, die Schwelle ganz zu überschreiten – und nicht nur von fantastischen Dingen zu erzählen, sondern in ihnen zu leben. Und das macht ihn zum wahren Architekten der Fantasywelt.


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