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Fantasy History (13): Schwerter & Softcover – Die 70er Jahre und die Geburt des Massenmarkts
„What happened to fantasy for me is what also happened to rock and roll. It found a common denominator for making maximum money. As a result, it lost its tensions, its anger, its edginess and turned into one big cup of cocoa.“
– Michael Moorcock
Die siebziger Jahre waren für die Fantasy das, was die Druckerpresse einst für die Bibel war: ein Verstärker. Plötzlich war das Genre überall – in Bahnhofsbuchhandlungen, auf schreiend bunten Buchcovern und in den Regalen von Teenagern, die sich zuvor eher für Rockmusik oder klassische Comics interessiert hatten. Fantasy wurde zum Massenphänomen. Und das lag nicht nur an Tolkien.

Die Geburt der Paperbacks
Taschenbücher machten die Fantasy billig, leicht und verfügbar. Kein sperriger Wälzer in Leinenbindung, sondern ein 300-Seiten-Buch mit Cover-Art, die mehr versprach als so manches Innere hielt. Aber genau das war der Trick: Fantasy verkaufte sich nicht nur über Inhalte, sondern über Atmosphäre, Versprechen, Eskapismus pur.
Verlage wie Ballantine Books in den USA – insbesondere mit der Ballantine Adult Fantasy Series unter Leitung von Lin Carter – entdeckten die alten Meister neu und brachten zugleich frische Stimmen an die Oberfläche. Lord Dunsany, E. R. Eddison, aber auch neuere Autoren wie Katherine Kurtz oder Stephen R. Donaldson fanden plötzlich ein Publikum, das nach Welten lechzte, in denen Drachen noch flogen und Helden nach Runenschwertern griffen.
Sword & Sorcery – Fantasy mit Muskeln
Gleichzeitig brach sich ein grobschlächtigerer Stil Bahn: Sword & Sorcery war das Gegenteil tolkienesker Erhabenheit. Hier regierten nicht Ethik und Sinnsuche, sondern Muskelkraft, Magierinnen in Nichts und Heldentum mit Hang zur Barbarei. Der Urvater dieser Richtung war natürlich Robert E. Howard, dessen Figur Conan der Barbar in den 70ern einen regelrechten Boom erlebte.
Fanzines, Neuauflagen, Comic-Adaptionen – Conan war überall. Und er war nur der Anfang. Autoren wie Michael Moorcock mit seinem antiheroischen Elric von Melniboné oder der unterschätzte Karl Edward Wagner mit Kane schufen düstere, ambivalente Gestalten, die zwischen Schwert und Sinnkrise schwankten.
Coverkunst: Die Verlockung des Visuellen
Ein nicht zu unterschätzender Faktor war das Coverdesign. Künstler wie Frank Frazetta oder Boris Vallejo definierten die Bildsprache der Fantasy neu: hyperrealistische Körper, dramatische Posen, schreiende Farben, lodernde Himmel. Diese Bilder verkauften nicht nur Bücher – sie schufen Ikonen.
Fantasy wurde zur Augenlust mit Handlung. Und das funktionierte: Gerade männliche Leser, die sich von klassischer Literatur fernhielten, griffen plötzlich zu Romanen, weil ein Barbar mit Riesenschwert auf einem Hügel stand, flankiert von einem Panther und einer knapp bekleideten Hexe.
Rollenspiele: Die Geburt einer Kultur
Parallel explodierte ein neues Medium: Pen-&-Paper-Rollenspiele. Mit der Veröffentlichung von Dungeons & Dragons (1974) wurde die Fantasy interaktiv. Leser wurden zu Spielern, Bücher zu Welten, die man selbst gestalten konnte. Die Trennung zwischen Konsument und Schöpfer begann zu verschwimmen.
Was D&D einführte – Tabellen, Klassen, Würfelmagie – schlug zurück auf die Literatur. Fantasyromane begannen, regelgeleitete Magiesysteme zu entwickeln, Helden mit klaren Stats, Abenteuer mit Questlogik. Die Grenzen zwischen Spiel und Text wurden porös – und genau das machte den Reiz aus.
Fazit: Konsum und Kult
Die Siebziger Jahre machten die Fantasy populär – auf eine Weise, die von Literaturkritikern oft belächelt, vom Publikum aber geliebt wurde. Zwischen Kitsch und Kult entstand ein Fundament, auf dem heutige Phänomene wie The Witcher, Game of Thrones oder Critical Role aufbauen.
Es war ein Jahrzehnt des Übergangs: vom Nischenfieber zum Mainstreamrausch. Und es war das Jahrzehnt, in dem Fantasy endgültig aus der Bibliothek hinaus und in die Popkultur hineinstürmte – mit einem Schwert in der Hand und Frazettas Pinselstrich im Rücken.
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