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Die Bibliothek von Velmoth war kein Ort für Lebende. Viele ihrer zahlreichen Türme waren längst eingestürzt, ihre Kuppeln von Zeit, Unwettern und gefallenem Sterneneisen durchsiebt. Zwischen den Regalen wucherte ein Wald aus verschimmeltem Pergament und Staub. Doch an diesem Abend betrat jemand die seit langem verlassene Halle.
Es war Isrik, der letzte Gelehrte der Namenlosen Akademie. Er suchte nach der ultimativen Wahrheit, dem letzten Wissen, das seine sterbende Zunft vielleicht retten könnte. In seinen Händen trug er ein Buch ohne Titel, dessen Seiten sich wie gefangene Vögel gegen seinen Griff zu sträuben schienen. Sein Atem bildete Wolken in der Kälte, während er zum Mittelpunkt der Ruine schritt – zu einem Kreis, in den vor Jahrhunderten ein Drachenname geritzt worden war.
„Vethryx,“ flüsterte er.
Die Luft erzitterte. Der Stein unter seinen Füßen begann zu glühen, als würde unsichtbares Feuer durch die Rinnen der alten Schriftzeichen fließen. Dann brannte sich der Name in die Wirklichkeit.
Aus dem Nichts formten sich Runen zu Krallen, Fragmente verbotener Texte zu Flügeln. Der Drache, der sich erhob, war kein Tier, sondern ein Wort, das so viel Wahrheit ins sich trug, dass es eine körperliche Form annahm. Sein Leib bestand aus glühenden Lettern, sein Blick hatte die Schwere aller vergessenen Geschichten.
„Du rufst mich, obwohl du weißt, was ich bin,“ sprach der Drache, ohne Mund. Seine Stimme war das Rascheln unzählbarer Seiten und das schmerzhafte Knacken brechender Siegel. „Ich bin weder Blut noch Schuppe. Ich bin das, was übrig bleibt, wenn die Welt all ihre Mythen verbraucht hat.“
Isrik spürte, wie das Blut in seinen Adern zu kochen begann. Er hatte geglaubt, der Name würde ihm Macht geben. Macht über das Vergessen, Macht über den Tod des Wissens selbst, doch jetzt verstand er: Man konnte keinen Drachen beschwören. Man wurde von ihm beschworen.
Die Bibliothek bebte. Die Bücher an den Wänden schlugen sich von selbst auf, ihre Seiten zerfielen zu Asche, während Vethryx’ Gestalt sich immer weiter materialisierte. Der Drache fraß kein Fleisch und setzte nichts in Brand, er sog lediglich die Bedeutung aller Dinge in sich auf. Mit jedem Atemzug löste sich eine Säule, ein Gesetz der Welt, in Rauch auf.
„Du wolltest Wissen,“ sagte der Drache. „Hier ist es.“
Isrik schrie, als er plötzlich mit der Zunge des Drachens seinen eigenen Namen schmeckte – doch es war zu spät. Er klammerte sich an seinen eigenen Namen, versuchte verzweifelt, seine Identität zusammenzuhalten, doch jeder Gedanke wurde zu Tinte, jede Erinnerung zu Pergament. Die Lettern fraßen sich durch seine Haut, schrieben ihn um, verwandelten ihn in eine Fußnote des Mythos und lösten ihn schließlich auf.
Als die Sonne aufging, war die Bibliothek verschwunden. Nur ein einziges Buch lag in den Trümmern, fest verschlossen. Auf dem Einband prangte ein Wort in einer fremden Schrift. Vielleicht ein Drachenname, der niemals wieder ausgesprochen werden durfte.

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